Konflikte im Team

Viele Missstimmungen und Leistungseinbußen in Teams entstehen durch Unzufriedenheit über die Aufgabenverteilung. Wer zunächst stolz ist, mit Aufgaben betraut zu werden und auch darauf, als tatkräftiger Mitarbeiter oder tatkräftige Mitarbeiterin angesehen zu werden, reagiert nach einiger Zeit empfindlich darauf, von den Führungskräften immer wieder mit Zusatzaufgaben bedacht zu werden. Und das ganz besonders dann, wenn diese Mehrarbeit sich nicht in Karrierechancen oder Prämien bezahlbar macht. In diesem Fall kann es zur „inneren Kündigung“ oder zum „Dienst nach Vorschrift“ kommen.

Die Führungskräfte machen es sich natürlich auch manchmal leicht. „Die Arbeit fließt dahin, wo sie gemacht wird“ heißt es umgangssprachlich leicht zynisch. Ich möchte hier nicht darauf eingehen, was Führungskräfte tun können, um diese Situation zu verhindern. Hier möchte ich mich mit der Reaktion des Rest-Teams auf leistungsschwächere Kollegen befassen. Ich möchte meine Gedanken dazu aufschreiben, was die Gründe für die Unzufriedenheit der „Leistungsträger“ im Team sind, wenn sie sich mit den „Minderleistern“ vergleichen. Wir wissen inzwischen übrigens aus vielfältigen Erfahrungen, dass Vergleiche sowieso unglücklich machen.

Dazu eine Fallbeschreibung:

Im Kommunikationstraining möchte eine Teilnehmerin wissen, wie sie sich einem Kollegen gegenüber verhalten soll, der sie absolut nervt, der seine Arbeit nicht schaffe, weil er zu viele Pausen mache und dem sie deshalb häufig Aufgaben abnehmen müsse. Darüber ärgere sie sich sehr. Dieser Ärger beeinträchtigt natürlich auch ihren Spaß an der Arbeit.

Ich frage die tatsächliche Arbeitsbelastung ab, verändere die Rahmenbedingungen gedanklich ein bisschen (Was wäre, wenn …) und gemeinsam kommen wir nach einiger Zeit zu dem Schluss, dass es letztendlich ein Wertekonflikt ist. Es geht um einen sehr hohen Wert, um Gerechtigkeit. Unter anderen Bedingungen würde sie ihm nämlich freiwillig und sehr hilfsbereit Aufgaben abnehmen.

Ja, nun wäre ein Diskurs darüber notwendig, was Gerechtigkeit überhaupt ist und wie sie erreicht werden kann und ob sie überhaupt möglich ist. Im Arbeitsleben und bei der Aufgabenbetrauung müssen die unterschiedlichen Grenzen der Belastbarkeit berücksichtigt werden. Inwieweit auch biographische Faktoren, frühere Kränkungen und Verletzungen der Mitarbeiter/innen zu der Minderleistung geführt haben, könnte ein Mediator oder eine Mediatorin klären. 

Aus meiner Sicht ist außerdem zu berücksichtigen, dass Gerechtigkeit und Frieden Antagonisten sind. Einen hilfreichen Ansatz für die leistungsstarken Mitarbeiter/innen formuliert Reinhold Niebuhr, ein einflussreicher US-amerikanischer Theologe in folgendem Gebet: „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ Dabei kann „Gott“ ganz individuell verstanden werden. 

In diesem Sinne ist die Frage ratsam, wieviel Kraft aufgebracht werden soll, um den leistungsschwachen Mitarbeiter oder die Situation zu verändern? Auch die Nebenwirkungen des Kraftaufwandes auf alle Beteiligten sind zu bedenken.

Meine Empfehlung an alle leistungsbewussten Unzufriedenen: Es ist eine Frage der Haltung! Machen Sie Ihre Sache und die Ihnen übertragenen Aufgaben so gut wie möglich und lassen Sie alles andere links liegen! Es gibt sowieso keine Gerechtigkeit und der Ärger über Kollegen frisst an der eigenen Seele. Das kann doch nicht das Ziel sein, oder?

Die Teilnehmerin aus dem Kommunikationstraining war mit diesen Analysen nicht zufrieden. Ich habe deshalb eine paradoxe Intervention vorgeschlagen: Sie soll – soviel wie sie schafft – dem anderen Mitarbeiter Arbeit abnehmen, also direkt Aufgaben von ihm fordern, bis er seinerseits darüber genervt ist.

Ich weiß nicht, wie es weitergegangen ist, ob die Teilnehmerin dem nachgekommen ist – habe aber Vermutungen darüber, wie sich die Situation dadurch verändert hätte ;-)).

Und nun wünsche ich Ihnen viel Kraft, Mut und Weisheit!

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