Zum kollegialen Umgang mit leistungsschwächeren Mitarbeitern

1 Das Problem
2 Was Sie als Kollege oder Kollegin tun können:
3 Es geht Sie nichts an!
4 Die „Mokassins des Anderen“ – Perspektivenwechsel
5 Ihr eigener Umgang damit
6 Liebe Führungskräfte
7 Fazit

1 Das Problem

Hochmotivierte Mitarbeiter übernehmen gerne die Aufgaben, die ihnen übertragen werden. Sie machen es der Führungskraft leicht, die Arbeit zu verteilen. Nun sind nicht alle Mitarbeiter gleich im Temperament, in der Belastbarkeit und in der Leistungsstärke. Manche lehnen es aus diesen und anderen Gründen ab, neue Aufgaben zu übernehmen. Das führt dazu, dass Führungskräfte es nach einigen derartigen Erfahrungen gar nicht mehr versuchen, diese Mitarbeiter mit Aufgaben zu betrauen. „Die Arbeit fließt dahin, wo sie gemacht wird.“ Dieser in einigen Abteilungen und Organisationen zum Sprichwort avancierte Satz drückt aus, dass Mitarbeiter, die zunächst leistungsstark und hochmotiviert sind, der Einfachheit halber von Führungskräften mit Aufgaben betraut werden. Wer streitet sich schon gerne rum, wenn es darum geht, Arbeit zu verteilen?

Dummerweise erweist sich genau das, was anfangs der leichtere Weg ist, später als Falle. Die leistungsstarken Mitarbeiter reagieren früher oder später frustriert. Die empfundene Ungerechtigkeit ärgert und kostet Energie. Es entstehen Konflikte mit dem scheinbar oder tatsächlich minderleistenden Kollegen. Auch die Führungskompetenz des Chefs oder der Chefin wird angezweifelt. Insgesamt ist das Betriebsklima gestört.

2 Was Sie als Kollege oder Kollegin tun können:

Ich empfehle Ihnen, mit der Führungskraft zu sprechen. Betonen Sie dabei, dass Sie selbst Ihre Aufgaben gerne und zuverlässig erledigen und dass Ihnen Ihre Arbeit Spaß macht. Natürlich freuen Sie sich auch darüber, dass Ihre Kompetenz geschätzt wird. Danach sollten Sie ansprechen, was Sie stört und warum. Und vielleicht gelingt es Ihnen, statt Vorwürfen Wünsche auszusprechen. Was ist Ihr Ziel in dieser Angelegenheit? Brauchen Sie Entlastung? Haben Sie das Bedürfnis, etwas für den Betriebsfrieden zu tun? Aufmerksam machen auf eine ungute Situation?

Was die Reaktion Ihrer Führungskraft anbelangt, heißt es nun, abzuwarten. Erwarten Sie bitte nicht, dass sofort etwas passiert. Beobachten Sie die Situation. Wenn sich mittelfristig etwas verändert – gut. Wenn nicht: Bleiben Sie fair. Tragen Sie durch Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft nach allen Seiten dazu bei, dass sich die Stimmung verbessert. Denn bedenken Sie:

3 Es geht Sie nichts an!

Führung ist die Sache Ihrer Führungskraft – nicht die Ihre! Durch Ihr Gespräch mit der Führungskraft haben Sie schon viel getan. Bleiben sie dabei, Ihre Führungskraft zu stärken und zu unterstützen, wann immer es Ihnen möglich ist. Sie leisten damit einen positiven Beitrag für sich, für Ihre Sache und für die Organisation.

Bedenken Sie auch, wieviel Energie es Sie selbst kostet, sich über Kollegen zu ärgern! Und dazu sind Sie nicht auf der Arbeit! Konzentrieren Sie sich auf Ihre Aufgaben, arbeiten Sie meist in Ruhe und manchmal auch ein bisschen gestresst das ab, was für Sie zu tun ist und seien Sie zufrieden mit sich und Ihrer Leistung. Mehr arbeiten als möglich können Sie sowieso nicht. Wieso also noch wertvolle Energie durch die Gedanken an ungeliebte Kollegen verschwenden?

4 Die „Mokassins des Anderen“ – Perspektivenwechsel

Zunächst einmal handelt es sich um eine eingefahrene Situation. Es dauert lange, viele Monate oder sogar Jahre, bis der Eindruck entsteht, dass wirklich nichts mehr zu retten ist. Das Fatale daran: je länger die Situation besteht, je schwieriger sind Lösungen. Aber: Irgendwie hat es angefangen. Manchmal sind Verletzungen oder empfundene Ungerechtigkeiten der Grund für eine innere Kündigung. Das kann dann zum „Dienst nach Vorschrift“ führen. Wenn diese Strategie beibehalten wird, verhärten sich die Fronten.

Häufiger jedoch ist Leistungsschwäche eine Mischung aus mangelhafter Qualifikation, von psychischen Blockaden und von geistigen Unterlegenheitsgefühlen. Der Kollege/die Kollegin bekommt die auf diesen Faktoren beruhende Leistungsschwäche auf verschiedenen Ebenen zu spüren: Er/sie erntet spitze Bemerkungen, wird gemieden und ignoriert. Diese Stressoren führen zu weiteren Fehlern und Versagungsängsten. Schließlich läuft nicht einmal mehr ein Kopierjob fehlerfrei durch. Die oder der Kollegein fühlt sich schließlich selbst minderwertig, weiß, dass er/sie ein Störenfried ist. Dann stellt sich absolute Mutlosigkeit ein. Als eine Unterprivilegierter eine Leistung zu erreichen, die Führungskraft und Kollegeninnen zufrieden stellt, erscheint unmöglich. Ohne hilfreiche Interventionen der Führungskraft oder einesr externen Beratersin bleibt die unbefriedigende Situation bestehen oder verschlimmert sich sogar.

5 Ihr eigener Umgang damit

Es ist sicher nicht einfach, Ungerechtigkeiten zu ertragen, ständig Mehrarbeit zu leisten. Tatsächlich wünschen wir uns alle eine heile, gerechte Welt. Und aus meiner Sicht möchte ich auch dazu beitragen, soweit es möglich ist. Nun, die Kröte ist schwer zu schlucken: Es gibt keine Gerechtigkeit! Auch nicht mittel- oder langfristig. Allein dieses Wissen – dass es keine Gerechtigkeit gibt – anzuerkennen, erleichtert schon. Manchmal zieht man in manchen Dingen den Kürzeren. Andere haben die besseren Aufgaben, den liebenswerteren Partner, den höheren Verdienst – und das, ohne dass erkennbar wird, womit sie das verdient haben.

Einen Weg aus dem Dilemma zeigt die kognitive Psychologie auf. Die Methode heißt „Denken lenken“. Dazu sucht man nach positiven Interpretationen der Situation, die zu Zufriedenheit führen. Eine Idee dazu ist das „kollektive, universelle Ich“: Ich weiß, dass es immer ein „Ich“ ist, das gerade mehr Glück gehabt hat als ich. Weil aber das „Ich“ universell ist, kann ich mich mitfreuen.

Im Falle des Umgangs mit leistungsschwächeren Kolleg*innen könnte der Gedanke lauten: ´Ich kümmere mich um mich und um eine gute Stimmung im Team und tue arbeitsspezifisch, was ich kann. Der Rest geht mich nichts an`.

6 Liebe Führungskräfte

Ein Appell in Ihre Richtung: Lassen Sie sich nicht abweisen, wenn es um die Arbeitsverteilung geht! Unterstützen Sie den/die ablehnenden Mitarbeiterin dabei, Prioritäten zu setzten. Erkennen Sie zwar die (vielleicht langsamere) Zuarbeit einesr Mitarbeiterin an, bieten Sie aber Hilfe durch gute Einarbeitung, Weiterbildungsmöglichkeiten, Checklisten und immer wieder: durch Gespräche (!) an. Aus meiner Sicht wird die Macht der Weisung überschätzt, die Macht der Rede jedoch total unterschätzt. Bedenken Sie auch, dass Stärken stärken zu wesentlich mehr Erfolg führt, als Schwächen zu verurteilen. Und: verteilen Sie, soweit möglich, die Aufgaben nach Eignung und Neigung.

7 Fazit

Ich bin davon überzeugt, dass es für Sie als Kollege*in selbst sehr vorteilhaft sein wird, sich bewusst zu werden, dass es um Sie und um Ihren eigenen Zustand geht. Ihr Ärger hat Auswirkungen auf Ihre Gesundheit. Und auch das Gegenteil ist richtig: Ein positiver Zustand stärkt das Immunsystem. Noch dazu ist gute Stimmung ansteckend! Sie wirkt sich positiv auf das ganze Team aus. Probieren Sie es aus!